„Inspirierende Szene“

Gisela Heide über das Künstlerdasein auf dem Land
Kunstpreisträgerin 2007 im Gespräch mit Anja Jungk

SZ:
Frau Heide, Sie kommen aus Vogt bei Ravensburg und haben in München an der Akademie studiert. Wie lange leben Sie schon im Landkreis?
Heide: Ich lebe seit gut 6 Jahren im Landkreis. Davor lebte ich 16 Jahre in München mit einigen Unterbrechungen (ein halbes Jahr Studienaufenthalt in Köln, 1 Jahr Bremen). Aufs Land gezogen bin ich aus rein privaten Gründen kurz bevor unsere Tochter zur Welt kam. Ich wünschte mir mehr Ruhe und Kontakt zur Natur. In welche Richtung sich meine künstlerische Arbeit durch diese Lebensveränderung entwickelt, habe ich damals nicht geahnt.

SZ: Am Wochenende beteiligen Sie sich an der Moosacher Atelierdiagonale und auch beim Ebersberger Kunstverein scheinen Sie sehr engagiert zu sein. Im Herbst fungieren Sie sogar als Kuratorin einer thematischen Ausstellung in der Alten Brennerei. Gefällt Ihnen die Kunstszene im Landkreis? (Und wenn ja, warum?)
Heide: In den letzten Jahren konnte ich viele Künstler aus dem Landkreis kennen lernen. Den Austausch mit Kollegen halte ich für sehr wichtig, und es gibt gerade in meinem näheren Umfeld einige, deren Arbeit und Engagement ich sehr schätze. Ich finde die hiesige Kunstszene lebendig und inspirierend. Dabei kann ich sagen, dass ich noch auf Entdeckungsreise bin, denn es tun sich immer wieder neue Kontakte auf.
In der Alten Brennerei des Kunstverein Ebersberg werden Ausstellungen von hohem künstlerischem Niveau gezeigt. Die Herausforderung hier mitzuarbeiten und mitzugestalten nehme ich gerne an.

SZ: Halten Sie die Verwurzelung eines Künstlers vor Ort denn für wichtig?
Heide: Ja, ich halte sie für wichtig. Obgleich diese Verwurzelung nur fruchtbar ist, wenn man zugleich auch über den Tellerrand hinausschaut und Präsenz auch an anderen Orten zeigt. So kann ein lebendiger kultureller Austausch entstehen. Ich kenne Künstler, die international viel unterwegs sind und unter einem Gefühl von „Heimatlosigkeit“ leiden, weil sie es nicht mehr schaffen, längere Zeit an einem Ort sich aufzuhalten. Das ist auf Dauer gesehen keine gute Basis für die künstlerische Arbeit. Aber es hängt natürlich auch von individuellen Bedürfnissen ab, für Andere wiederum mag es stimmig sein, sich viel zu bewegen. Ich persönlich schätze das Eingebundensein und Verwurzeltsein an einem Ort sehr, es bildet die Basis meiner Existenz und meiner Arbeit. Genauso aber ist die Bewegung ein wichtiger Faktor, um in seiner Entwicklung nicht zu stagnieren.

SZ: Vergangenes Jahr bekamen Sie den Kunstpreis der Stadt Ebersberg zugesprochen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?
Heide: Über diese Auszeichnung habe ich mich natürlich sehr gefreut. Sie ist für mich eine Bestätigung dafür, dass meine Arbeit nicht nur gesehen wird, sondern auch „ankommt“ bei den Menschen. Wobei ich dabei nicht in erster Linie an den Erfolg denke, sondern eher daran, Menschen mit meinen Bildern zu berühren, zu bewegen, einen Prozess in Gang zu setzen. Sozusagen einen Draht, eine Verbindung zum Gegenüber herstellen – wenn das glückt und der Funke überspringt, ist das ein schönes Erlebnis.

SZ: Ihr Mann Stefan Heide ist ebenfalls Maler – was bringt diese Besonderheit mit sich? Gibt es da Eifersüchteleien?
Heide: Ich möchte diese „Besonderheit“ als Herausforderung bezeichnen. Zum Einen meine ich damit die Herausforderung der wirtschaftlichen Existenz, vor allem aber die des gemeinsamen Gestaltens des Alltags. Wir sind Freiberufler, wir sind Eltern, das Präsentsein auf verschiedensten Ebenen verlangt ein hohes Maß an Flexibilität, Disziplin und Kooperation.
Es gibt da auch eine Form der Konkurrenz zwischen uns, die ich aber als sehr konstruktiv empfinde. Austausch, Kritik über unsere Arbeit ist uns beiden wichtig, und wir unterstützen uns in unserer individuellen Entwicklung. Dass man als Ehepartner sehr „nah dran“ ist, macht es zwar schwieriger, den notwendigen distanzierten Blick einzunehmen, um eine Arbeit zu beurteilen, andererseits ist schonungslose Offenheit und Kritik möglich. Die größte Konkurrenz zwischen uns besteht eigentlich darin, dass jeder so viel Zeit wie möglich im Atelier verbringen will und das aufgrund unserer Familiensituation immer nur begrenzt möglich ist.

SZ: Eigentlich sind Sie ja Bildhauerin – wie sind Sie zum Malen und zu Ihrem großen Thema, den Kleidern und feinen Stoffen gekommen?
Heide: Schon in meiner Studienzeit arbeitete ich mit Stoffen und textilen Materialien. Zum Beispiel nähte ich anlässlich einer Jahresausstellung der Kunstakademie „77 Kissen“ (1991) für die Freitreppe im Eingangsbereich. Eine andere Arbeit waren 105 Ärmel – „Potenzial 105“ (1993) – , für einen städtebaulichen Wettbewerb in Schwerin, die aus dem Grundriss der Trabantenstadt Lankow genäht wurden und als Zeichen und Mittel der Interaktion, Begegnung und Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohnort standen. Während bei jenen Arbeiten die Benutzbarkeit der Objekte und der interaktive Aspekt im Vordergrund stand, setze ich mich in der Malerei mit der Stofflichkeit des Gewebes als solches auseinander. Inhaltlich geht es jedoch nach wie vor um den Menschen, der zwar auf meinen Bildern nicht zu sehen ist, aber gerade in seiner Abwesenheit wirkt und durch die Kleiderhülle hindurch wie durch einen Filter oder eine Lochmaske präsent wird.

SZ: Und was wird die Besucher Ihrer Einzelausstellung in der SZ-Galerie erwarten?
Heide: Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten werde ich eher kleinformatigere Arbeiten zeigen, darunter auch Siebdrucke, zum Thema Kleidung. Auf diesen kleineren Formaten sind hauptsächlich Ausschnitte oder Teile von Kleidungsstücken zu sehen. Die Arbeiten befinden sich an einer Schnittstelle zwischen Gegenstand und Abstraktion. Sie sind entstanden zwischen 2005 und 2008.

Ebersberger SZ Nr. 155, 5./6. Juli 2008

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