Die Sinnliche

Gisela Heides Bilder vermitteln ein haptisches Erlebnis

Kleider machen Leute, sagt man gemeinhin, wenn ein gut gewähltes Outfit die Persönlichkeit eines Menschen auf besonders glückliche Weise zur Geltung bringt. Kleider, mal romantisch wallend, mal zartgemustert und verspielt, mal voller duftiger Eleganz, bestimmen auch die künstlerische Welt von Gisela Heide. In lasierenden Farbschichten sind sie auf die ungrundierte Leinwand gemalt. Dabei betreibt Heide allerdings keine Imagebildung, denn Gesichter sind auf ihren Bildern vollständig ausgespart. Und doch steht der Mensch im Mittelpunkt: Immer dort, wo sich die Linien verziehen, wo sich der Stoff um Rundungen schmiegt, wird man seiner Körperlichkeit gewahr. „Kleider schützen und legen gleichzeitig das Innere frei”, erklärt die diesjährige Kunstpreisträgerin.

Ihre Liebe zum Textilien entdeckte die 1963 im Kreis Ravensburg geborene Künstlerin während ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München (1987-93). Von der Arbeit mit dem massiven Stein kommend, lockte sie der sinnliche Reiz fließender, biegsamer Formen. Objekte zum Anziehen nähte sie damals und polsterte die Freitreppe in der Akademie, auf der die Studenten pausieren, mit „77 Kissen” aus. Nach dem Diplom 1997 und mit Aufnahme des Aufbaustudiums Bildnerisches Gestalten und Therapie (1998-2000) erfolgte die endgültige Hinwendung zur Malerei, doch die textilen Fäden hat Heide damit nicht aus der Hand gegeben. Denn Malen bedeutet für sie keinesfalls nur Abbilder zu schaffen, sondern ihre Werke vermitteln ein gleichsam haptisches Erlebnis. Es entsteht Kunst, die indirekt auch den Tastsinn anspricht, ohne ihn zu aktivieren. Unter anderem in Jena, Schwerin und Brüssel hat Heide ihre Arbeiten gezeigt, das Projekt „Sahara Kontinua”, bei dem sie die Bewegungen zweier Kolleginnen mit einem 150 Meter langen Taftband im unendlichen Freiraum der Wüste fotografisch festhielt, führte sie nach Tunesien (2001). Von 1999 bis 2002 gab die Künstlerin, die mit Stefan Heide verheiratet ist, der sich ebenfalls der Malerei verschrieben hat, zudem Zeichenworkshops am Museumspädagogischen Zentrum in München. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter zog das Malerehepaar zunächst nach Pullenhofen bei Bruck, wo sich noch heute ihr Atelier befindet. Ihren Lebensraum verlegte die Familie hingegen kürzlich in die Nähe von Moosach.

Auch künstlerisch ist 2007 für die Preisträgerin schon jetzt ein besonders intensives Jahr. So wird „Feinstoff”, eine gemeinsam mit Ursula Oberhauser geschaffene Ausstellung, noch bis zum 29. Juli in der Galerie Markt Bruckmühl zu sehen sein und auch im Gebäude der Regierung von Oberbayern in München (28. Juni – 26. Juli) ist Heide mit ihren Werken vertreten.

Dass die Faszination für das Stoffliche ihre Kunst weiterhin prägen wird, dessen ist sich Heide sicher. Denn Gewebe, so bekundet sie, „ist auch eine Metapher für das Lebensgewebe”.

Stefan König
Ebersberger SZ Nr. 143 vom 25. 6. 2007

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